Anlässlich
der ersten 100 Tage des Mindestlohns schaffte das Thema es vor
Kurzem in die Schlagzeilen. Erste Bilanzen wurden gezogen. Die
Zahlen sind vielversprechend. Da es noch keine langfristigen
Zahlen gibt wird es Zeit für eine tiefergehende Analyse. Zeit für
eine neue Ausgabe von Vorder- und Rückseite; der Serie in
der wir zu verschiedenen Themen das Für und Wider, das Pro und
Contra beleuchten wollen.
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Ob
die Arbeitnehmer vom Mindestlohn profitieren, ist in der
Wissenschaft höchst umstritten. So gibt es keine verlässlichen
Daten und auch ein Blick auf andere Länder kann wegen der
verschiedenen Wirtschafts- und Sozialstaatsstrukturen nur
vereinzelt Hilfe geben. In Frankreich
sorgte der Mindestlohn von 9,43€ für den Verlust von
Arbeitsplätzen, da er über dem Gleichgewichtslohn lag. In
England liegt er mit 7,42€ unter diesem und eine höhere
Arbeitslosigkeit blieb aus.
Dies
bestärkt das neoklassische Modell wonach das Gleichgewicht von
Arbeits-Angebot und Nachfrage die Beschäftigungsverhältnisse
beschreibt. Nur wenn die
Produktivität der Bezahlung über der Bezahlung liege, würde die
Stelle ausgeschrieben. Allerdings gibt es Studien, die das
neoklassische Modell einschränken. Bei
Dachdeckern und Mitarbeitern von Altenheimen konnten
Wissenschaftlern z.B. nachweisen, dass diese teils produktiver
arbeiten, wenn sie einen höheren Lohn und somit eine gefühlte
angemessene Wertschätzung für ihre Arbeit erhalten. Die
Übertragbarkeit dieser Erkenntnisse bleibt allerdings vage
In
dieser unsicheren Erkenntnislage wurde der Mindestlohn in
Deutschland eingeführt. Ein Verlust von Arbeitsplätzen blieb
bislang aus. Dies mag noch an der guten Konjunktur liegen, aber
auch nicht. Denn der Mindestlohn kann sich als sinnvoller
makro-ökonomischer Markteingriff erweisen. Keine andere
Volks-wirtschaft exportiert netto so viel Kapital. Um dieses
Ungleichgewicht auszutarieren braucht es entsprechend größerer
inländischer Investi-tionen und eines erhöhten Konsums. Der
Mindestlohn kann dafür das passende Instrument sein. Dies hängt
vor allem davon ab, ob es gelingt, die höheren Personalkosten auf
die Preise umzuschlagen. Sollten sich in betroffenen Branchen
höhere Preise durch-setzen, so wird eine Umverteilung von
Einkommen ermöglicht. Andernfalls würden Jobs vernichtet. Dafür
ist die Elastizität der Nachfrage bedeutend; also die Frage, wie
Kunden auf höhere Preise reagieren und ob sie zum Konkurrenten
wechseln oder ganz auf ein Produkt verzichten
Über
den tatsächlichen Effekt gibt es eine heftige
Debatte. DIW-Forscher behaupten,
dass das verfügbare Haushaltseinkommen durch einen Mindestlohn
nur wenig steigen würde. So fließe ein großer Teil in steigende
Sozialabgaben, höhere Steuersätze und die gestiegenen Preise. Es
gibt aber auch die andere Seite, welche diesen Effekt
vorhersagt. Der Mindestlohn
bleibt also sowohl für die Wissenschaft, als auch für die reale
Volkswirtschaft und Arbeitnehmer ein großes Experiment. Speziell
bei der nächsten Krise werden sich die Auswirkungen zeigen. Dann
können die hohen Lohnkosten – laut OECD mit die höchsten
weltweit – eine Falle sein. Speziell
die Mindestarbeitskosten sind dann unflexibel; in diesem Bereich
bedarf es also weiterer Reformen um den Verlust von Arbeitsplätzen
zu verhindern.
In
einem Punkt sind sich allerdings alle einig: der allgemeine
Mindestlohn werde den Missbrauch von Werkverträgen weitestgehend
abschaffen. Da Leiharbeiter seit
Anfang 2012 einen Mindestlohn von 7,50€ bekämen, würden
Unternehmen verstärkt Subunternehmen die nicht den Tarifverträgen
der Branche unterliegen anheuern und niedrigere Löhne zahlen. Der
Mindestlohn würde dem einen Riegel vorschieben. Außerdem
rückte die Wertschätzung von Arbeit in den öffentlichen Fokus.
Mit dieser Aufmerksamkeit werden auch die neueren
Entwicklungen zum Mindestlohn nicht unbemerkt bleiben. Bis jetzt
scheint es eine Erfolgsstory zu werden.
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Ich
finde die aktuelle Verteilung der Löhne kritisch. Ich meine, es
gibt einige Personen, die verdienen unverhältnismäßig viel.
Besonders die Finanzbranche hat es sich am oberen Ende der
Verteilung komfortabel eingerichtet. Und das, obwohl Sie
volkswirtschaftlich viel mehr Schaden angerichtet hat als die
Mitarbeiter von McDonalds. Mal abgesehen von dem schlechten Essen.
Aber das ist ein anderes Thema.
Nichtsdestotrotz
sollte die Einführung von Mindestlöhnen wohl bedacht und
beobachtet sein. Sich gesellschaftspolitisch ein Ziel zu setzen,
heißt bei weitem noch nicht, dass man es mit der jeweiligen
Maßnahme auch erreicht. Ein Beispiel: Eine Vermögenssteuer
einzuführen um die Staatseinnahmen zu erhöhen klingt nach einer
tollen Idee. Wenn dadurch aber die Vermögenden oder ihre Vermögen
auswandern, dann bleibt das Ziel verfehlt. So wie bei der
Vermögenssteuer, gibt es auch bei Mindestlöhnen Tücken, die ich
hier verkürzt darstellen möchte.
Der
wohl bekannteste Effekt ist, dass die Einführung von
Mindestlöhnen zu mehr Arbeitslosigkeit führt. Von Seiten der
Wissenschaft gibt es dafür bisher noch wenig eindeutige
quantitative Aussagen in die eine oder andere Richtung.
Theoretisch klingt es plausibel. Ein Friseur bekommt nun
Mindestlohn, verlangt ein paar Euro mehr pro Schnitt. Die Leute
gehen in der Folge weniger zum Friseur oder schneiden sich die
Haare häufiger selbst. Von der Stärke dieses Effekts hängt ab,
wie wirkungsvoll die Maßnahme Mindestlohn ist.
Des
Weiteren gibt es Befürchtungen Deutschland könne international
durch Mindestlöhne an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Hier gilt
es nach Sektoren zu unterscheiden. Ein Friseur in
Mitteldeutschland steht vergleichsweise wenig in internationalem
Wettbewerb. Großkonzerne in der Regel dagegen schon. Diese
könnten reagieren, in dem sie Arbeitsplätze ins Ausland
verlagern.
Eine
weitere Tücke ist die Verdichtung der Arbeitszeiten. Ein paar
Euro mehr die Stunde und die Sonne scheint. Dafür ein paar
Haarschnitte mehr die Stunde und/oder überbezahlte Überstunden
und es regnet wieder.
Schließlich
sind die Folgen auf das Preisniveau zu betrachten. Mehr Löhne
bringen nur dann etwas, wenn sie auch die Kaufkraft verbessern.
Erhöhen die Unternehmen durch die Verteuerung des Faktors Arbeit
die Preise, dann bringt der Mindestlohn den Leuten wenig, wenn sie
ihr zusätzliches Einkommen wieder an der Kasse abgeben.
Zudem
sollten regionale Unterschiede des Preisniveaus (Ost- und
Westdeutschland) berücksichtigt werden. Ein Arbeiter aus
Magdeburg hat wahrscheinlich geringere monatliche Ausgaben als
einer aus München. Dementsprechend unterschiedlich stark wirkt
sich der Mindestlohn auf die Verbesserung der Kaufkraft und ebenso
auf die Wettbewerbsfähigkeit der Region aus.
Das
für mich ausschlaggebende Argument für einen Mindestlohn ist die
Auswirkung auf die Verhandlungsmacht der Arbeiter und Angestellten
im Niedriglohnsektor. Gegenüber dem Adler ist die Putzfrau ein
Wellensittich am Verhandlungstisch.
Im
letzten Teil Vorder-/Rückseite ging es über die Macht der
Kunden. Besser als der Adler könnten nämlich wir sein. Wer die
Möglichkeit hat, sollte einkaufen, wo faire Löhne bezahlt
werden. Wer Mindestlöhne fordert, sollte sich auch dafür
einsetzen.
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brandy74 "Malstunde" Some rights reserved. www.piqs.de Der Begriff Fremdheit wird benutzt zur Charakterisierung einer Beziehung. Immer muss etwas bekannt sein um es auch als fremd zu bezeichnen; andernfalls kann es nicht beschrieben werden. Wissenschaftlich wird die Fremdheit oft auch als die Gleichzeitigkeit von Nähe und Entferntheit, von Verbundenheit und Getrenntheit charakterisiert. Wer demnach etwas als fremd bezeichnet, unterscheidet die Welt an dieser Stelle in ein Innen und ein Außen. Das Fremde sei jenseits einer einer imaginären Grenze. Diese Grenzen können unterschiedlich lokalisiert werden. Bei der kulturellen Fremdheit werden andere kulturelle Verhaltensweisen und Ansichten identifiziert und als fremd bezeichnet. Bei der sozialen Fremdheit ist der Fremde hingegen Teil der eigenen Gesellschaft, der eigenen Gemeinschaft. Durch die Zuschreibung der sozialen Fremdheit wird er aus dem eigenen Bereich, also dem eigenen sozialen Milieu, exkludiert. Drückt sich