Im Hintergrund das Capitol - Schaltstelle der nationalen Parteien
Dave Connor "USA 2002 Police Week - Washington DC" www.piqs.de Some rights reserved.
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Lange tat sich die amerikanischen Parteienforschung schwer damit, Parteien überhaupt zu definieren. War man im 18. und 19.
Jahrhundert noch gar nicht davon überzeugt, dass man diese überhaupt
brauche, so kam im frühen 20. Jahrhundert der Konsens auf, dass
diese nötig für das demokratische System seien.
Mit dem Konsens drehte sich die Debatte
schließlich darum, was für politische Parteien man wollte. Anhänger der verantwortlichen Partei kritisierten die Democratic und Republican Party für ihre lose verkoppelte Strukturen und ihre Unfähigkeit, ein "wahres" Parteiprogramm zu entwerfen. Denn statt eines gemeinsamen Programmes, hatte - hat immer noch - jede Ebene und jede Gruppierung ihre eigene ideologische Überzeugungen und eigene Programmpunkte. Auf bundesstaatlicher Ebene können zwischen den Parteien zwar Unterschiede bei sozialpolitischen Themen, der Steuerpolitik und manchen
außenpolitischen Themen ausgemacht werden, doch gibt es dazu noch innerhalb der Parteien eine Vielzahl unterschiedlicher Positionen.
Dies kommt auch daher, dass die beiden Parteien fast die gesamte Wählerschaft und demzufolge eine Vielzahl unterschiedlicher Strömungen abdecken. Die Präsidentschaftswahlen in 2000 endeten sprichwörtlich mit der Stimmverteilung von 50:50. Dies gelingt ihnen deshalb, da sie als Schirmparteien kein Parteiprogramm mit ideologischer Orientierung, sondern nur ungefähre Parteipositionen und keine Parteidisziplin haben. Diese Eigenschaft macht
sie zu pragmatischen Parteien. Solche Parteien konzentrieren sich auf das Gewinnen von Wahlen und die Besetzung öffentlicher Posten. Sie streben hauptsächlich nach Macht, während die Ideologie und Programmatik zweitrangig ist und hauptsächlich zur Wählermobilisierung benutzt wird. (Das Gegenteil ist die verantwortliche Partei). Entsprechend können innerparteiliche Gruppierungen und Strömungen erheblichen Einfluss ausüben. Da nur eine kleiner Kern der Parteielite diese innerparteilichen Aktivitäten und das politische Geschäft betreiben, sind sie ferner als Kaderparteien zu bezeichnen.
Doch wie definiert man solch eine Partei? Es gibt eine Vielzahl verschiedener Ansichten, wobei es meist um die Frage geht, wo die
eigentliche Macht liegt. Die Trichotonomie von V.O. Key ist
hierfür ein guter Referenzpunkt. Key meinte, dass eine Partei drei
Säulen habe: die Politiker in der Regierung oder Opposition, die Wählerschaft mit Aktivisten und Interessengruppen, und die Organisationsstruktur. Vor allem die Politiker-zentrierte Sicht
ist weit verbreitet. Ein
Beispiel ist die Definition von Anthony Downs. Er
bezeichnet
Parteien
als „coalitions of elites to capture and use political office.“ Eine kleine Modifikation stammt von Schlesinger, welcher in diesen Kreis der Eliten politische Akteure von außerhalb der formellen Partei einschließt. Denn zwischenzeitlich verlagerte sich die Aufmerksamkeit der
Parteienforschung auch
auf den informellen Teil einer Partei; also auf die Interessengruppen, Gewerkschaften und Think Tanks. Sie werden als Teil der Parteien angesehen.
Die neueste Parteiendefinition, welche diese informellen Elemente berücksichtigt und gleichzeitig einen anderen Schwerpunkt legt, ist jene von John Aldrich, Marty Cohen, David Karol, Hans Noel und John Zaller
von
der University
of California Los Angeles
(UCLA).
In
ihrem Buch The
Party Decides
schreiben
sie
Gruppierungen
innerhalb der Parteien eine bedeutende
Stellung zu. Demnach seien Parteien eine Koalition von Intense Policy Demanders. Gruppen mit festen Interessen und politischen Zielen würden sich zusammenschließen, ein gemeinsames Programm erarbeiten und sich schließlich an dessen Umsetzung messen lassen. Ihre Koalition konstituiere die Partei. Eine kleine Modifikation dieser Definition stammt zum Beispiel von Daniel DiSalvo, einem Wissenschaftler, der sich mit den innerparteilichen Gruppierungen beschäftigt. Er stimmt ihrer Definition zu, bemerkt aber, dass eine Partei nicht aus einer, sondern aus mehreren Koalitionen bestehen könne. Diese Koalitionen können kurzfristige ideologische Überzeugungen, oder auch langfristige, organisierte Gruppierungen sein. Innerparteiliche Abläufe würden von ihrer Konkurrenz bestimmt.
Diese Theoretisierungen schließen sich in die aktuelle Debatte der aktuellen Parteienforschung ein. Gruppierungen wie die Tea Party zeigen, dass die Parteien keine einheitlichen Blöcke sind. Wurden die Parteien früher meist als eine Einheit in Konkurrenz zu Interessengruppen charakterisiert, so blickt man inzwischen verstärkt auf die innere Zusammensetzung der Parteien. Für Europäer ist das meist befremdlich; sie kennen die ideologischen Parteien, welche durch die Verhältniswahlen Zustimmung für ihr Programm bekommen. In den USA gibt es durch die Mehrheitswahlen eine andere Situation; hier entscheiden die Wahlen nicht unbedingt über die Programmatik. Diese Funktion übernehmen - gemäß dem Verständnis mancher Wissenschaftler - diese innerparteilichen Gruppierungen; auch factions genannt.