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Heimat Europa


Ist eine Heimat Europa möglich? nötig?

Nun, angesichts des Demokratie- und Legitimationsdefizits der EU braucht Europa aktive europäische Bürger. Nur wenn sich die Bürger als Europäer verstehen und aktiv am Projekt EU partizipieren, hat die Europäische Union eine Zukunft. Wenn die Heimat des Nationalstaates zu schwach wird, so bietet sich Europa als Überbau für die Heimat an. Sie kann einen Haltepunkt für die Menschen bieten und auch in Zeiten der Globalisierung eine politische Einwirkungsmöglichkeit bieten. Auf den ersten Blick scheint es jedoch als äußerst schwierig Europa als Heimat zu konstruieren. Der Mensch orientiert sich an kleinen regionalen Konstrukten wie der Region. Um der Frage nachzugehen, ob Europa Heimat werden kann, muss deshalb das Verhältnis der heimatlichen Regionen zur Europäischen Union untersucht werden. Europa kann nie eine Heimat werden; aber es kann ein Teil von ihr werden.

Räumlich oder ethnisch ist Europa nicht bestimmbar; wohl aber geschichtlich. Die zentralen europäischen Erfahrungen der jüngsten Zeit sind Entwurzelung und Heimatlosigkeit. Kriege prägten die vergangenen Jahrhunderte in Europa. Im 20. Jahrhundert waren es die beiden Weltkriege. Zur europäischen Geschichte gehören aber auch genauso die vielen Friedensverträge, Abkommen und gesellschaftlichen Bestrebungen. Der fortschreitende europäische Einigungsprozess kann als Ergebnis und Aggregation der Vergangenheit angesehen werden. Die Europäische Union ist der Versuch einen einheitlichen Raum des Friedens, der Freiheit und der Demokratie aufzubauen. Die entscheidende Frage für die Heimat Europa wird diejenige nach dem Grades des Zentralismus im europäischen System sein. Denn vor allem gegen Homogenisierungsmaßnahmen gibt es Widerstand.

Als Handlungsoption bietet sich demnach an, dass die heimatliche Region ergänzt und erweitert wird. Im Zusammenspiel der Region mit der Europäischen Union kann sich eine übergreifende europäische Identität entwickeln. Entscheidend dafür ist die kulturelle Komponente, aus welcher sich dann die Identität konstituiert. Tatsächlich kann Europa seit Karl dem Großen auf eine gemeinsame kulturelle Basis zurückblicken. Er verbreitete in seinem Reich das Christentum, die lateinische Sprache und antike Überlieferungen auf Basis der von ihm geförderten Klöster. Hierauf entwickelten sich die regionalen Kulturen mit ihren Eigenheiten, welche wiederum die Regionen konstituierten. Identitätsstiftend können schließlich die viel beschworenen europäischen Werte sein und Grundlage kann die Einheit in der Vielfalt sein. Bei einer Umfrage, welche Werte am besten die Europäische Union repräsentierten, landeten die Werte 'Menschenrechte', 'Demokratie' und 'Frieden' auf den ersten drei Stellen. Es folgten Werte wie 'Rechtsstaatlichkeit', 'Solidarität', 'Gleichheit' oder auch 'Toleranz'. Bei den Befragten Personen über 55 Jahren wurde 'Frieden' häufiger genannt, während bei den jüngeren 'Menschenrechte' stärker genannt wurden. Dies lässt sich aus den verschiedenen Erfahrungen der Generationen ableiten.

Die gemeinsame Geschichte und Horizonte als Voraussetzung für eine europäische Identität und Heimat sind also vorhanden. Sie verblassen aber, so lange die Bürger die Europäische Union als Nutzgemeinschaft für die Wirtschaft und nicht als Schutz- und Solidargemeinschaft für die Bürger wahrnehmen. Die Sozialpolitik ist es, die aus dem Staatsgebilde erst einen Ort für die Menschen macht. Aktuell ist die Sozialpolitik nach dem Subsidiaritätsgebot Aufgabe der Mitgliedsstaaten. Da die Europäische Union vor allem die Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit propagiert, hat das zur Folge, dass einzelne Elemente der nationalen Sozialsysteme als Wettbewerbshindernis angesehen werden. Mit einer gemeinsamen normierten europäischen Sozialpolitik kann das Projekt Heimat Europa also gelingen. Auch die Regionen müssen innerhalb der Europäischen Union gestärkt werden; einerseits um verlorene demokratische Mitbestimmung auszugleichen, andererseits um aus den Regionen Heimaten zu schaffen. Dies geschieht aktuell schon. Die Einbeziehung und Rechte der europäischen Regionen wird stetig erweitert.

Dass die Europäische Union heimatlich sein kann, zeigt sich vor allem bei der jüngeren Generation. Neben einer nationalen Identität gibt sie oft auch eine europäische an. Sie sieht es bereits als selbstverständlich an, ungehindert durch Europa reisen zu können, frei den Studienort wählen zu können und mit dem Euro zu bezahlen. Gemäß der Generationenstudie der Hans-Seidel-Stiftung in Bayern lösen sowohl der Wohnort (89%) als auch die Region und Bayern (jeweils 88%) die größte Verbundenheit aus. Deutschland (85%) folgt fast gleichauf, während Europa bei 60% ein Gefühl der Verbundenheit auslöst.

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