Für was steht sie noch, die CDU? Jürgen Klocke "Der Wegweiser" www.piqs.de Some rights reserved. |
Die Woche hat wieder bewiesen, dass Kehrtwenden zu Merkel´s Politikstil gehören. Sie kann sie sich auch leisten, da die Partei geschlossen hinter ihr steht. Weder muss Merkel um personelle Aufsteiger fürchten, welche ihr gefährlich werden könnten, noch muss sie um fehlende Unterstützung der Partei fürchten. Zwar gibt es bei jeder Kehrtwende ein Gemurre in der Partei, allerdings verstummen die meisten schnell um ein einheitliches Gesamtbild abzugeben und die volle Unterstützung der Kanzlerin zu signalisieren. Die CDU war schon immer mehr eine Kanzlerpartei als z.B. die SPD.
Deswegen konnte sie so viele Kehrtwenden vollziehen: der Ausstieg aus dem Atomausstieg, die Abschaffung der Wehrpflicht, die Position gegen die Hauptschulen, die Unterstützung der gesetzlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen, die Begrüßung eines Mindestlohns, die Unterstützung eines türkischen EU-Beitrittsverfahrens und vielleicht bald die Opposition zu Stuttgart21? Viele dieser Entscheidungen wurden von einem kleinen Führungszirkel um Angela Merkel herum getroffen. Dieser will mit ihnen die CDU der gesellschaftspolitischen Realität der Gegenwart anpassen und mögliche progressivere Wähler gewinnen. Merkel kalkuliert darauf, dass die konservativen Stammwähler schon noch die CDU wählen werden. Aus demokratietheoretischer Sicht sind die Entscheidungen kritisch zu sehen; erst vor wenigen Monaten bestätigte der CDU-Parteitag zum Beispiel das genaue Gegenteil zur gleichgeschlechtlichen Ehe. Aus gesellschaftlicher Sicht können sie dennoch als richtig angesehen werden; größtenteils sind die Positionen bereits Common Sense der Gesellschaft.
Doch können die Wähler Angela Merkel und der CDU trotzdem noch trauen? Zwar hat Angela Merkel die CDU modernisiert und der gesellschaftlichen Realität angepasst. Doch hinterlässt dieser Wandel eine Partei, die nicht mehr unbedingt weiß, für was sie steht. Richtungsweisende Entscheidungen kann die Regierung nicht vorweisen und selbst beim Aufzählen kleiner Reformen kommt man schnell ins stottern. Es fehlen die Leitplanken eines Grundsatzprogramms, anhand derer man Reformen vollziehen kann. Nur die Euro-Rettung und die stabile Wirtschaftslage wird oft als Verdienst Angela Merkels aufgezählt. Da sind sich viele einig. Tatsächlich konnte Merkel der Euro-Krise Einhalt gebieten und tatsächlich geht es der deutschen Wirtschaft momentan noch gut. Inwiefern die Kanzlerin daran beteiligt ist, lässt jedoch Fragen offen. Zu oft hat sie wichtige Fragen einfach nur aufgeschoben und zu sehr setzt sie auf einseitiges Sparen. Dass die Reformen teilweise bereits fruchten darf ihr zwar angerechnet werden. Doch hat sie dabei die Menschen in den betroffenen Staaten vergessen. Dies rächte sich bei einigen Wahlen in Europa; Italien ist das letzte Beispiel dafür, dass die Bürger sich nicht mitgenommen und berücksichtigt fühlen. Eine Euro-Rettung kann nicht nur um die Stabilität des Euros gehen. Auch gesamtwirtschaftliche, soziale und demokratische Fragen müssen behandelt werden. Das Ausklammern dieser essentiellen Fragen gab Populisten Nährstoff. Das Patt in Italien bedroht nun wiederum den Euro.
Angela Merkel´s Bundesregierung hat somit nicht nur bei innenpolitischen Reformen geschlafen, sondern kann selbst den Trumpf der Rettung des Euros verlieren. Denn ob die Rettungs-Strategie gefruchtet hat oder nicht, wird sich nun während der Regierungsbildung in Italien zeigen. Der Markt ist bereits nervös. Das zeigt, dass es weitere Reformen braucht. Ob die CDU sich in der nahen Zukunft dabei auf ihr neuen Parteiprogramm als Leitplanken stützen kann, wird sich zeigen müssen.