In der Politikwissenschaft gibt es die klassischen liberalen und republikanischen Demokratietheorien. Beide waren lange Zeit die dominanten argumentativen Gegner. Seit den 1970ern/1980ern gibt es die dritte Strömung der deliberativen Demokratietheorie. Jürgen Habermas ist einer ihrer Hauptvertreter und bereits jetzt ein Klassiker. Für viele ist sie bereits das zentrale Paradigma der zeitgenössischen politischen Theorie.
Die Theorie knüpft an das Ideal der partizipierenden Bürgergesellschaft an und stellt deren politische Partizipation in direkten Zusammenhang mit der Qualität des Outputs des demokratischen Prozesses. Denn nur wenn allen die Möglichkeit gegeben
werde, an politischen Diskussionen teilzunehmen, könne das bestmögliche Ergebnis erzielt werden. In machtfreien Diskussionen können die Bürger ihre Fähigkeiten und Kompetenzen einbringen und zu einem rationalen Ergebnis kommen. Darauf greift der Begriff der Deliberation zurück; er bezeichnete in der amerikanischen
Rechtstheorie der 1980er Jahre die öffentliche Kommunikation über
politische Fragen auf Versammlungen oder in öffentlichen Medien. Die Deliberation ist Teil der Lebenswelt, der sozialen Strukturen.
Vertreter der deliberativen Demokratietheorie bezeichnen die Deliberation als zentrales Charakteristikum der Lebenswelt, der sozialen Strukturen, und stellen sie dem politischen System als Gegenmacht gegenüber. Sie nehmen Abschied von einer Demokratisierung des politischen Systems, da es deren Eigensinn und deren Funktionsfähigkeit behindern würde. Stattdessen brauche es neue institutionell-verfestigte Schleusen zwischen Lebenswelt und Politik. Die Lebenswelt muss Druck auf das politische System ausüben können und Forderungen an die Politik stellen können. Und um ihre Deliberation zu sichern muss die Lebenswelt zudem vor politischen Vermachtungen und wirtschaftlichen Übergriffen geschützt werden. Nur so können die Diskussionen frei und fair bleiben und die integrierenden Kräfte der Zivilgesellschaft ihre Wirkung ausüben.
Es sind Forderungen nach einer radikalen Demokratisierung. Die Bürger müssten auf alle politischen Entscheidungen Einfluss haben und Grundsatzentscheide selber treffen. Es brauche dafür einer lebendigen Zivilgesellschaft und der permanenten politischen Deliberation. Wie diese genau entstehen soll bleibt aber für viele noch eine offene Frage. Doch gibt es auch Konzepte die eine deliberierende Komponente in bestehende repräsentative Systeme integrieren. Zum Beispiel gibt es den Vorschlag des "Deliberation Polls" von James S. Fishkin, bei welchem die Teilnehmer einer Meinungsumfrage zuvor über das jeweilige Thema diskutieren und sich fortbilden. Da bereits jetzt die Öffentlichkeit eine entscheidende Position im politischen Gefüge einnimmt und erste Anzeichen einer europäischen, wenn nicht sogar globalen Zivilgesellschaft erkennbar sind, bietet die deliberative Demokratietheorie einen guten Anhaltspunkt, wie die künftigen Entwicklungen aussehen könnten.