Sean Rogers "Party Long, Party Hard" www.piqs.de Some rights reserved. |
Nur 20 Prozent der Jugendlichen gehör(t)en ihnen an, und trotzdem spielen Jugendkulturen einen Referenzpunkt für Gesellschaft wie Jugendliche. Denn diese wollen innerhalb der bestehenden Erwachsenen-Kultur eine eigene Subkultur aufbauen - als Ausdruck ihres neu empfundenen Lebensgefühls, ihres Weltbilds und ihrer Abgrenzung von der Erwachsenenwelt. Sie entstehen also im Zeichen ihrer Zeit
Es sind die 1950er. Der Beginn des Kalten Krieges und die Besatzungsmächte - vor allem die USA - bringen eine neue Vergnügungsindustrie mit. Doch prägend sind die fehlenden Väter als Folge des Zweiten Weltkriegs oder die immer noch autoritäre Erziehung. In der Jugendszene gibt es das Phänomen der Halbstarken. Meist männlich und aus der Arbeiterklasse stammend fahren sie lautstark und aggressiv auf ihren Mopeds durch die Straßen. Es geht um die Provokation der Erwachsenenwelt.
Die 1960er: in Vietnam spitzt sich der Kalte Krieg zu und politische Hoffnungsträger wie die Kennedys und Martin Luther King werden ermordet. In Deutschland ist Kiesinger Bundeskanzler unter einer großen Koalition. Kiesinger galt damals als Symbol der unbewältigten deutschen Vergangenheit. Es ist das Jahrzehnt der politischen Studenten; die Außerparlamentarische Opposition fordert eine Demokratisierung und die historische Aufarbeitung des Dritten Reiches. Hippies rebellieren gegen die konservativen Vorstellungen in der Gesellschaft und leben ihre Emanzipation. Der Konsumverzicht wie auch die sexuelle Befreiungen in Kommunen kommen auf.
Die 1970er sehen schließlich die Bündelung der politischen Forderungen in der Friedens-, Ökologie-, Anti-Atom- und Frauenbewegung; welche schließlich in der Gründung der Grünen-Partei 1971 münden. Ökologiebewusstsein und die Friedenssehnsucht sind angesichts des anhaltenden Kalten Krieges omnipräsent. Neben der politischen Emanzipation will die Hippie-Bewegung und Jugend die neue Mentalität auch persönlich erfahren. Drogen und Musik dienen der Bewusstseinserweiterung.
Die 1980er-Jahre erleben schließlich erste Bemühungen um Abrüstung. Prägend für die Jugendkultur ist die Punkbewegung. Ihr diffuser, apolitischer Groll entwickelt sich aus der Abneigung gesellschaftlicher Regeln und der fehlenden wirtschaftlichen Aussicht. Mit inszenierter Hässlichkeit, wie mit kaputten Klamotten oder Irokesenfrisuren, und mit der Leistungsverweigerung wollen sie sich von der Erwachsenenwelt abgrenzen und diese provozieren. Sie fühlten sich ausgegrenzt und produzierten bald Musik in Eigenproduktion - Punk Rock von der Szene für die Szene.
Doch wurde die wirtschaftliche Lage in den 1990ern nicht besser; die Globalisierung macht sich bemerkbar. Der Arbeitsplatz scheint generell nicht mehr sicher zu sein, die Leistungsanforderung steigt. Dies kommt auch bei der Jugend an. Das leistungsverstärkende Ecstasy und die zum Teil maschinenähnliche Techno-Musik kommen auf. Werden ursprünglich auch politische Themen der Hippie-Bewegung aufgegriffen, so nimmt die Kommerzialisierung bald überhand. Organisierter Spaß wird auf der Love-Parade konsumiert; auch als Kompensation zum Leistungsdruck. Der Begriff der Erlebnis- und Spaßgesellschaft kommt auf.
In den 2000ern gibt es die HipHop-Kultur mit ihrem Ursprung in der african-american Subkultur. Die Charakterisierung der Kultur ist jedoch angesichts einer schnell einsetzenden Kommerzialisierung schwierig. Es ist der Anfang eines Wandels. Aufkommende Trends werden nun schnell von den Medien aufgegriffen und zum Mainstream geformt. Das langsame Heranwachsen einer dominanten Jugendkultur ist nicht mehr möglich. Stattdessen wird diese kleinteiliger, widersprüchlicher und schneller; wie auch die Erwachsenenwelt, welche nicht mehr klaren einheitlichen Regeln unterworfen ist. Die Medien sind nun aktiver Teil der Kultur. Studios von Sendungen wie Big Brother oder DSDS werden zu Kultstätten. Die Globalisierung bringt auch Fremdes wie den Cosplay aus Japan. Von den Medien kann nunmehr nichts mehr als Phänomen einer Jugendkultur hochstilisiert werden.
Eine neue Erscheinung des letzten Jahrzehnts ist, dass die Jugendlichen gesehen werden wollen. Auf Facebook und anderen sozialen Netzwerken können sie sich mit anderen vergleichen und selber Photos von sich hochladen. Jedoch wollen sie nicht beim rebellieren gegen die Erwachsenenwelt gesehen werden. Stattdessen sind sie angepasst, leistungsorientiert, unscheinbar. Was zählt sind für sie Werte wie Ordnung Fleiß und Disziplin gepaart mit einer Selbstentfaltung und dem Lebensgenuss. Trotzdem wollen sie sich von der Erwachsenenwelt distanzieren. Den politische Parteien trauen sie wenig zu, von den älteren Generationen befürchten sie übersehen zu werden und Sorgen machen sie sich genauso um ihre Zukunft wie um die Umwelt. Sie gehen damit bislang relativ sachlich um; nur manchmal beschweren sich beispielsweiße Studenten über die Rentner in ihren Vorlesungen. Wie lang die Geduld hält ist ungewiss. Gerade die Mädchen sorgen sich trotz guter Voraussetzungen um die Zukunft. Die Jungs müssen aktuell ihre Identität im Gender-Mainstreaming neu finden. Vielleicht formt sich ja bald wieder so etwas wie eine neue Jugendbewegung?