Cameron auf EU-Gipfel Bild von wiwo.de |
Die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen war schon immer eine schwierige. Einerseits besteht die Notwendigkeit der engen Kooperation, andererseits sahen sich die Briten schon immer als ein bisschen abgesondert von Europa und sind den abstrakten und utopischen Konzepten eher abgeneigt.
Paradox ist, dass britische Politiker an der Einheit Europas maßgeblich beteiligt waren. Grund war der Wunsch, einem aufstrebenden neuen Deutschland Einhalt zu gebieten. Deswegen wurde eine Einheit "des Europas überm Kanal" vorangetrieben. 1973 trat es schließlich selbst dem Projekt bei.
Doch schon bald wandelte sich die öffentliche Meinung und vor allem die Haltung der Tories aus Angst vor einem neuen starken Deutschland von einer proeuropäischen zu einer europaskeptischen. Immer schwebte in den Debatten der Vorwurf mit, Deutschland würde nun auf wirtschaftlicher Ebene Europa bezwingen. Noch heute ist die Einstellung zu Deutschland ambivalent. Einerseits ist es angesichts deutscher "Sonderwege" bei Energiewende oder Libyen misstrauisch, andererseits fordert es eine stärkere Rolle Deutschlands bei der Euro-Rettung.
Die Europa-Frage ist somit ein Dauerzwist bei den Tories und wurde so manchem Premier, wie sogar Margaret Thatcher, zum Verhängnis. Auch Cameron hat aktuell mit Abgeordneten aus der eigenen Partei zu kämpfen; beim heiklen Thema des EU-Budgets wollten sie erreichen, dass der Haushalt und somit die Mitgliedsbeiträge verringert werden. Doch setzte Camerons Strategie auf das Einfrieren des Budgets - weiß er doch um die Gefahr einer Isolierung innerhalb Europas. Dieses Risiko wollen dennoch viele seiner Parteikollegen angesichts der Konkurrenz von der europaskeptischen UKIP eingehen. Sie gefährdet die Wiederwahl so mancher Tories. Denn die Stimmung in der Bevölkerung ist nicht förderlich. Aktuell wollen 56 Prozent der Britten raus aus der EU.
Resultat ist die ewige Nörgler-Rolle für britische Politiker auf europäischer Ebene. Mal geht es um die "Repatriierung" politischer Rechte, mal um Extrawürste (kein Euro, kein Schengen), ma um das Geld. Schon seit 1984 haben die Briten einen Abschlag von mehr als 3 Milliarden Euro bei ihren Beiträgen - offiziell da das Land nicht von den Agrar-Subventionen profitiert; aber auch um die britischen Gemüter zu beruhigen. Auch bei den neulichen Haushaltsverhandlungen kam das Thema wieder auf.
Punkte der Verhandlungen waren dabei der Nachtragshaushalt für 2012, der Haushalt für 2013 und das Budget für 2014 bis 2020. In den Verhandlungen einbezogen sind Rat, Parlament, sowie die Mitgliedstaaten. Die Problematik Großbritanniens ist dabei nur eine von vielen. Andere wiederum fordern einen größeren EU-Haushalt. Für die Tories ein unzumutbarer Vorschlag. Dabei haben sie viele Fakten auf ihrer Seite. 2010 war Großbritannien als drittgrößte Wirtschaft Europas an zweiter Stelle der Nettozahler. Es zahlte - trotz des Abschlags - 5,63 Milliarden Euro mehr ein, als es zurückbekam. An erster Stelle war übrigens Deutschland mit einem Nettobeitrag von 9,2 Milliarden Euro.
Angesichts der erneut aufgekommenen Nörgelei und Kritik Camerons kamen auch bei diesem Gipfel wieder schnell Stimmen auf, die ein Austritt Großbritanniens aus der EU prophezeiten oder forderten. Tatsächlich verdichtet sich dieser Eindruck bei vielen Beteiligten angesichts der beschriebenen Situation. Manche Staatskanzleien rechnen bereits mit einem Abgang Großbritanniens und spielen verschiedene Szenarien durch.
Konstruktiv sind sie damit nicht. Sie machen es sich schlichtweg zu einfach. Statt sofort den Austritt des ewigen Nörglers zu prophezeien, sollten sich die Beteiligten jene Kritikpunkte tatsächlich ernst nehmen. Warum sollte z.B. der europäische Haushalt vergrößert werden, während viele ihrer Mitgliedsländer aktuell heftig sparen müssen? Warum soll mehr Geld an Organe gegeben werden, welche ihre Ausgaben nur halbherzig kontrollieren? Oder warum sollen wieder rund 40% der Mittel für die landwirtschaftliche Förderung ausgegeben werden, obwohl der Sektor nur zu 1,5% des BIP beiträgt und nur 5% der Bevölkerung beschäftigt? Vor allem beim mehrjärigen Finanzrahmen (MFR) können solche Thematiken besprochen werden. Mit dem MFR werden die maximalen Gesamtausgaben und die Verteilung des Geldes festgelegt.
Ja, die ständige Nörgelei mancher britischer Politiker nervt. Aber sie sind damit nicht alleine - auch in Skandinavien und Osteuropa gibt es kritische Stimmen zur Entwicklung der EU - und sie haben auch berechtigte Punkte, welche es verdient haben thematisiert zu werden. Die europäischen Akteure sollten die Probleme aktiv angehen und endlich mit einer konstruktiven Debatte aber auch ihrer Überzeugungsarbeit anfangen. Die EU muss Kritik und Häme aushalten und alle zu Wort kommen lassen. Das ist die Basis der europäischen Einheit. Solidarität, Einheit und Kooperation sind nicht nur Ideen sondern auch Handlungsanweisungen. Das impliziert die Auseinandersetzung mit Kritikern und vermeintlichen Bremsern der Einheit. Doch ist genau dieses Bremsen teilweise wichtig um eine vorschnelle Supranationalisierung bestimmter Politikbereiche zu verhindern. Argumente mit der Begründung abzuschlagen, dass der Kritiker bald nicht mehr EU-Mitglied sei, ist zu einfach.
Übrigens: Ergebnis der Haushaltsverhandlungen waren schließlich eine informelle Vereinbarung. Grund war der Zwist zwischen Europäischem Parlament und den anderen beteiligten Parteien.