Vor wenigen Stunden wurde Peer Steinbrück auf dem SPD
Parteitag mit 93,45 Prozent zum Kanzlerkandidaten gewählt. Solche Parteitage
sind aus der Sicht Außenstehender schwer zu verstehen. Es geht dort nicht
darum, die eigene Politik den Bürgern zu verkaufen, es geht darum den Rückhalt
aus den eigenen Reihen zu sichern. So wird kaum ein Thema kritisch
aufgearbeitet, vielmehr geht alles Negative in lauten Jubelarien unter. Und
trotzdem können uns solche Parteitage einen guten Überblick über den aktuellen
Zustand einer jeweiligen Partei geben. Die Piraten bemühten sich
außerordentlich, inhaltliche Themen in den Vordergrund zu stellen. Sie leiden
unter der medialen und öffentlichen Wahrnehmung und gaben ihr bestes, sich als
geschlossene und funktionierende Partei zu präsentieren. Der CDU Parteitag
machte eins klar: Die CDU ist Angela Merkel. Außerdem gibt es ein paar, denen
die Partei nicht modern genug ist. Anderen in der Partei ist die CDU nicht mehr
konservativ genug. Mehr gibt es von dem Parteitag der CDU wohl nicht zu
berichten. Dort blieb lediglich die Aussage stehen, dass Angela Merkel, koste
es was es wolle, 2013 wieder zur Kanzlerin gekrönt werden soll.
Was gibt es aber nun vom Parteitag der SPD zu berichten?
Auch die SPD präsentierte heute ihre eigene Stimmungslage. Die Partei ist nach
den Erfolgen bei Landtagswahlen davon überzeugt, auf Bundeseben die Regierung
stellen zu können. In den Reihen der Genossen wird wieder an einen Wahlsieg
geglaubt. Das war vor vier Jahren nach der historischen Pleite noch anders
gewesen. Damals übernahm Sigmar Gabriel eine gespaltene Partei und kämpfte
dafür, einen gemeinsamen Weg einzuschlagen. Mit der Nominierung des
wirtschaftliberalen Peer Steinbrück musste um diesen Zusammenhalt gefürchtet
werden. Doch scheinbar war die historische Schlappe bei der Wahl 2009 so
verletzend, dass die Partei alle Kräfte mobilisiert und diese nicht für
parteiinterne Grabenkämpfe verschwendet.
Außerdem ist der Gewinner des SPD Parteitags nicht etwa nur
Peer Steinbrück, es ist vielmehr die Partei.
Denn der Spitzenkandidat machte deutlich, dass die Sozialpolitik das zentrale
Thema der Wahl sein wird. Er hat erkannt, dass es um die klassischen Themen der
SPD gehen muss, wenn tatsächlich ein Machtwechsel stattfinden soll. So wählte
er als roten Faden für seine 105 Minuten lange Rede die Geschichte der SPD und
ihre Werte und Traditionen. Anhand derer erklärte er die eigenen Positionen zu
heutigen politischen Themen. Dabei gelang ihm eines besonders deutlich: Eine
klar Abgrenzung zur CDU. Während viele Bürger den beiden großen Volksparteien
heute vorwerfen, sich gar nicht mehr zu unterscheiden, zeigte Peer Steinbrück
deutlich Unterschiede auf. Seine Rede handelte dabei weniger von seinen
klassischen Themen wie Finanz- und Wirtschaftspolitik sondern konzentrierte
sich besonders auf sozialpolitische Themen und nahm zugleich Kritik an der
Schwarz-Gelben Bundesregierung.
Für den Arbeitsmarkt forderte Steinbrück die Einführung
eines flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro je Stunde, die gleiche
Bezahlung von Frauen und Männern, sowie eine Veränderung der Leiharbeitspraxis
und eine Reform der Mini-Jobs. Das Thema Gleichstellung thematisierte er in
seiner Rede ausführlich und versprach im Kanzleramt eine Staatsministerin für
Gleichstellung von Frauen und Männern. Wahrscheinlich wollte er so um die
Stimmen der weiblichen Wähler werben, bei denen er zuletzt in Umfragen noch miserabel
abgeschnitten hatte. Er sprach das Thema der Steuern an, forderte eine
Vermögenssteuer, die den Mittelstand schützt, die Vermögenden aber ihren
Beitrag für die Gesellschaft zahlen lässt. "Die SPD mit einer
Bundesregierung unter meiner Führung wird nicht alle Steuern für alle, aber
einige Steuern für einige erhöhen - nicht verzagt, nicht verschämt, sondern gut
begründet." Die Bedeutung einer solchen Steuerpolitik für den sozialen
Zusammenhalt war ebenfalls Teil seiner Rede: "Eigentum und
wirtschaftlicher Erfolg verpflichten, denn erst eine stabile gesellschaftliche
und staatliche Ordnung legt dafür Grundlagen." Weitere Themen waren die
Wohnungsnot in größeren deutschen Städten sowie den Universitätsstädten, die
Pflegeversicherung und das Gesundheitssystem, die Energiewende und außerdem das
Projekt Europa.
Die Rede und damit die inhaltliche Positionierung
Steinbrücks wurde von allen Delegierten mit großem Beifall honoriert –
natürlich, so gehört sich das für einen Parteitag. Aber das sie den Beifall
auch verdient hatte steht meiner Meinung nach außer Frage. Mit einem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück
der sich zu klassischen Themen der SPD bekennt, könnte die SPD tatsächlich
einen Machtwechsel herbeiführen. Und so hat nun mit der offiziellen Nominierung
Peer Steinbrücks der Wahlkampf begonnen.