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Minuten und 12 Sekunden Grabesstille in den Stadien - damit drückten
die Fans bei den letzten Spieltagen ihr Protest gegen das geplante
Sicherheitskonzept "Sicheres Stadionerlebnis" aus, das
heute (12.12.2012) auf der Vollversammlung der Deutschen Fußball-Liga
verabschiedet werden soll. Punkte des Papieres sind unter
anderem die Bereitstellung von Containern für Vollkontrollen, eine
geforderte Weitergaben von personenbezogenen Daten durch die Polizei
und Kollektivstrafen bei Verstoß. Das Papier ist ein neues Kapitel in der aufgeheizten und emotionalisierten Debatte um die Sicherheit in Stadien. Zwar gibt es die Diskussion jedes Jahr. Doch dieses Jahr führten die Pyrotechnikdebatte, das Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin und der anschließende Verhaltenskodex für Vereine (Sanktionierung von Pyrotechnik, längere Stadionverbote), der unter Innenminister Hans-Peter Friedrich ausgearbeitet wurde, dass sich die Debatte hochschaukelte.
Für
die Fußballanhänger hat die Auseinandersetzung den Status des
Existenzkampf bekommen. Sie fühlen sich durch solch
populistische Politiker in die Enge getrieben und sehen mit dem
Konzept das Anfang vom Ende der Fankultur. Der vermehrte Einsatz von Bengalos in den Stadien ist eine der Protestformen mancher Gruppierungen.
Tatsächlich
spielen Politiker in dem Stück eine zentrale Rolle. Parteiübergreifend haben die Landes- und Bundesinnenminister den Notstand in den
Fußballstadien ausgerufen und versuchen mit populistischen Äußerungen Stimmen zu fangen. Zusammen mit der Polizeigewerkschaft und den Medien malen sie ein düsteres Bild und benutzen Statistiken nach Belieben. So führte die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in ihrer Statistik für die Saison 2011/2012 mehr Verletzte, mehr Strafverfahren und mehr Arbeitsstunden für die Polizei. Schnell kamen Kritikpunkte und Fragen auf, welche nicht beantwortet werden können. Beispielsweise bleibt bei den 8143 Strafverfahren unklar, wie viele aufgrund mangelnder Beweise wieder eingestellt werden mussten. Außerdem ist nicht erkennbar, inwiefern die vermehrten Spiele in internationalen Wettbewerben zum Zuwachs in der Statistik verantwortlich ist. Auch die 846 Verletzten rechtfertigen im Vergleich mit anderen Großereignissen wie dem Oktoberfest nicht das düstere Bild. Es sind "gerade einmal" 0,0051 Prozent der 18,7 Millionen Besucher; übrigens wird nicht danach unterschieden, ob die Verletzungen von Tränengas oder gegnerischen Fans stammen.
Trotzdem konnten die Politiker das Thema hypen; auch weil sich die Medien über jede Berichterstattung zu dem publikumsstarken Sport freuen. Auf den Funktionären von DFB, DFL und den Sportclubs liegt nun ein großer Druck und Lösungen werden erwartet. Hans-Peter Friedrich drohte
bereits allzu oft mit Ganzkörperkontrollen, personalisierten Tickets
und dem Verbot von Stehplätzen, sollten sich die Vereine nicht der
Thematik ernsthaft annehmen. Zumindest mit dem Verbot von
Stehplätzen kann er aber künftig nicht mehr drohen; wie durch eine
kleine Anfrage des Linken-Abgeordneten Jan Korte hervorgeht, hat er
dazu keine Kompetenzen. Für den Fall, dass das Sicherheitskonzept heute nicht verabschiedet würde, drohte er bereits den Clubs sie an den Kosten von zukünftigen Polizeieinsätzen zu beteiligen. Das die ca. 100 Millionen Euro Kosten für die Polizeieinsätze mit den mehr 1,5 Milliarden Euro Steuereinnahmen durch deutsche Proficlubs mehr als gedeckt sind, lässt er dabei außen vor.
Dennoch müssen die Verbände liefern, welche aber keine neuen Ideen bieten können. So wird auf altbekannte Instrumente
zurückgegriffen; mehr Polizei, mehr Resitriktionen, mehr
Überwachung. Ob es das Problem lösen wir kann angezweifelt werden. Immerhin
gab es zuletzt eine verstärkte Kommunikation zwischen DFL und
Fanvertretern. Wohin dieser führen wird und was für Schlüsse aus
ihm gezogen werden, wird sich zeigen. Auf jeden Fall werden wohl alle Energien auf das Konzept "Sicheres Stadionerlebnis" gebündelt. Angesichts wichtigerer
Themen wie der verstärkten Präsenz von Neonazis in Stadien ist das
schade aber verständlich. Den Fans und Vereinen kann man hier keinen
Vorwurf machen. Politikern wie Hans-Peter Friedrich kann man hingegen
dringend raten, demnächst ein Fußballspiel zu besuchen.