Keine
formelle Parteimitgliedschaften, keine ausgeprägte Parteistruktur,
keine offiziellen Stellungnahmen. Die
amerikanische Parteien können für Europäer ziemlich verwirrend
sein. Dennoch nehmen die demokratische und die republikanische Partei
eine zentrale Position in der Öffentlichkeit ein. Wie sich die
Themen innerhalb der Parteien entwickeln und warum radikale
Positionen viel Gehör bekommen ist dabei meist unverständlich. Erst kürzlich schaffte es die Äußerung von Todd Akin, Representative of Missouri, in die Schlagzeilen.
"Legitimate Rape Victims Have Ways To Try To Shut That Whole Thing Down." (Todd Akin)
Um dies zu verstehen, ist es nötig, die Struktur der Parteien zu kennen. Ein relativ neues Konzept ist es, die Parteien als Netzwerke zu charakterisieren. Einzelne Gruppen sind dabei Hauptakteure der programmatischen Ausrichtung. In einem Geflecht mit der
formellen Partei im Zentrum und ThinkTanks, SuperPACS und Kampagnen
in der Peripherie bringen sie über Koalitionsbildungen die Parteiposition voran. Eine Untersuchung in 2010 von
Gregory Koger, Seth Masket und Hans Noel identifizierte die beiden Parteien anhand
der Weitergabe von Kontakdaten von Spendern. Sie erkannten 70 Gruppierungen bei den Republikanern und sogar 183 Komponenten im demokratischen Netzwerk. Diese Gruppierungen sind auch bei der Entwicklung der Demokratischen Partei zur Pro-Choice-Partei und
der Republikanischen Partei zur Pro-Life-Partei verantwortlich. Auf republikanischer Seiten waren
dies vor allem die Conservatives
unter Ronald Reagan und die New Right faction
unter Newt Gingrich.
Conservatives
Aufgekommen
ist das Abtreibungsthema erstmals in den 1970ern. Eine geeinte Position oder
auch parteipolitische Instrumentalisierung gab es noch nicht. Dies
änderte sich mit der zunehmenden Aktivität Ronald Reagans und der
Conservatives. Noch
1968 und 1973 verlor Ronald Reagan die presidential primaries gegenüber
Mainstream-Kandidaten. Doch gab es zunehmend Zugeständnisse an die Conservatives. Dazu gehörte auch die Opposition zur Abtreibung. Mit dem Urteil des Supreme Courts 1973 zu Roe v. Wade kam dieses in den öffentlichen Debatten an und nahm auch einen gewissen Stellenwert innerhalb der Parteien an. Das Urteil besagte, dass Abtreibung unter das `Recht auf Privatsphäre´
fällt und somit nicht zu verbieten sei. Einschränkungen seien aber möglich. Parteipolitisch kam es damit
zu einer größeren Bedeutung und hatte bei den Vorwahlen eine
gewisse Wichtigkeit. Denn zusammen mit verbündeten Gruppierungen
konnten die Conservatives gegen Pro-Choice-Kandidaten mobilisieren
und ihre konservative Basis im Kongress vergrößern. Ab den späten
1980ern waren die Conservatives eine der dominantesten Gruppen
in der republikanischen Partei und gaben den Ton an. 1980 schaffte es
Reagan schließlich zur Präsidentschaft und konnte die Partei durch
Neubesetzungen mit loyalen Politikern umstrukturieren. Selbst ranghohe Republikaner, die ihn nicht
in den Vorwahlen unterstützen, verloren dadurch ihren Posten und Einfluss.
New Right Faction
Doch während Reagan´s Präsidentschaft gruppierten sich bereits die New
Rights unter Newt Gingrich. Ähnlich wie die Conservatives betrieben auch sie eine aktive Rekrutierung; allerdings verfestigter wie u.a. mit der GOPAC, einer Trainingsorganisation für angehende konservative Politiker. 1992 waren bereits ¾ der republikanischen Repräsentanten im House Mitglied einer konservativen Gruppierung. Hinzu kam die Kooperation mit weiteren verbündeten ThinkTanks und Organisationen im Netzwerk. Ein Beispiel ist
die Christian Coalition. Von Pat Robertson 1988 gegründet, etablierte sie sich als Sprachrohr von konservativen Christen. Die generelle Ablehnung der Abtreibung ist einer ihrer Programmpunkte. Von ihr unterstützt wurde u.a. der Politiker Newt Gingrich. Durch die Koalitionsbildung mit solchen Organisationen konnten die New Rights Druck auf Reagan aufbauen, welcher schließlich Teile ihrer Programmatik in seiner zweiten Amtszeit übernahm. Erst jetzt bezog Reagan
auch als Präsident die Pro-Life-Position. Hatte er zuvor noch auf Mainstream-Republikaner Rücksicht genommen, so hatte er es nun mit einer wachsenden Basis der New Right faction zu tun. Prägend war er dennoch für die Position der Republikaner.
Es ist klar erkennbar, dass die Senatoren, welche während und nach
Reagan´s Höhepunkt gewählt wurden, einheitlich eine pro-life
Position hatten.
Auf das Betreiben der beiden Gruppierungen etablierte sich die klare Position der Republikaner zur Abtreibung. Neue Gruppierungen modifizieren diese nun allemals. Hier ist erkennbar, dass sich Pro-Life-Gruppen wie schon während der thematischen Etablierung stärker engagieren als Pro-Choice-Gruppen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass es radikale Statements und Ansichten von Politikern in die Schlagzeilen schaffen. Moderate Stimmen bei den Republikanern gibt es aktuell tatsächlich selten. Dies liegt unter anderem daran, dass viele radikale Pro-Choice-Politiker Gouverneurswahlen gewannen. Ihre erfolgreiche Wahl legitimiert deren Position und hält das Thema fern von innerparteilichen Diskursen. Dies ist beachtenswert, da 2005 rund 40% der republikanischen Wähler und Gruppierungen angaben, dass die Abtreibung nicht schwerer gemacht werden solle.
Somit wird es interessant sein zu beobachten, wie künftig Gruppierungen im Partei-Netzwerk künftig das Thema Abtreibung behandeln werden. Die gegenwärtigen radikalen Töne kann sich die Partei eigentlich nicht leisten. Beim aktuellen Wahlkampf zwischen Obama und Romeny spielen Frauen eine Schlüsselrolle. Das Thema hatte bereits einen größeren Stellenwert in der öffentlichen Auseinandersetzung der beiden Kandidaten. Sollte es bei der Wahl einen großen Stellenwert haben, so wird es Romney Probleme verschaffen. Moderate Töne werden es anschließend leichter haben. Sollte dies nicht der Fall sein, so wird das Thema auch keinen größeren Stellenwert innerhalb der Partei einnehmen.