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Chinas Führungswechsel



Xi Jinping (l.), voraussichtlich neuer Parteichef und Präsident; Li Keqiang, designierter Regierungschef. 


Noch weiß die Welt sehr wenig über Xi Jinping und Li Keqiang. Doch schon bald werden die beiden zu den wohl mächtigsten Menschen weltweit gehören, denn in China wird in wenigen Tagen die Führungsspitze ausgetauscht. Hu Jintao, amtierender Generalsekretär der kommunistischen Partei und Präsident, und Wen Jiabao, amtierender Premierminister, werden die Macht an ihre designierten Nachfolger übergeben. Zehn Jahre lang haben die beiden Chinas Weg entscheidend geprägt. Ihnen folgt nun erstmals eine ganz neue Generation. Xi Jingping, Jahrgang 1953, hat genau wie Li Keqiang, Jahrgang 1955, die Kulturrevolution aus einer ganz anderen Perspektive erlebt. Beide arbeiteten auf dem Land, um „von den Bauern zu lernen“, wie dies in China unter Mao üblich war. Sie wurden rebellisch erzogen, Mao predigte die ständige Revolution, sie folgten seinen Gedanken. Diese Generation begreift sich gerade deswegen nicht nur als „Verwalter“ der Republik Maos, sie werden die Republik verändern.

Doch inwieweit werden sie überhaupt die Chance bekommen, etwas zu verändern? Wer in China wünscht sich denn überhaupt Veränderungen? Aus unserer westlichen Sicht ist China nur sehr schwer zu verstehen. Werte, Gesellschaft und Politiksystem unterscheiden sich fundamental. Diese Unkenntnis des Westens macht das Verstehen sehr schwierig. Der Führungswechsel in Partei und Staat jedoch offenbart jedoch so einiges. Ganz besonders zeigt er, wie instabil das chinesische System eigentlich ist. Die Flucht Chen Guangchengs im April dieses Jahres lenkte zum ersten Mal die Aufmerksamkeit nach China. Hier gelang es China kaum vor den Augen der Weltöffentlichkeit sein Gesicht zu waren. Weitere Beispiele für die Instabilität des Landes sind die Aufregung um den ehemaligen Gouverneur Bo Xilai, das Verschwinden von Xi Jinping für einige Wochen, oder die finanziellen Machenschaften von Wen Jiabao, dessen Familie angeblich mehrere Milliarden reich sein soll. Es entsteht der Eindruck, dass in Peking zunehmend die Kontrolle verloren geht. Diese Angelegenheit kann die Regierung innerhalb des Landes noch weitgehend kontrollieren.
In der Außenpolitik zeigt sich ebenfalls eine zunehmende Instabilität. Der Streit um die Senkaku-Inseln, Streit um die Paracel-Inseln, Konflikte mit den Philippinen, Vietnam und Japan und Probleme in Tibet, die bis in die Außenpolitik reichen, sind nur ein paar der Streitthemen Chinas. Längst gelingt es nicht mehr, diese Themen leise und still zu klären, wie dies insbesondere Deng Xiaoping nach dem Tod Maos tat. 

Während im Bereich der Wirtschaft der Wandel in den letzten zwanzig Jahren rasant voranging, blieben andere Bereiche vom Wandel unberührt. Der Machtapparat ist völlig außer Kontrolle, Zuständigkeiten und Verantwortungen sind häufig unklar, hinzu kommen korrupte Beamten, interne Machtkämpfe und  alte Ideologien aus der Zeit Maos. In vielen Fragen der Außenpolitik ist die Zuständigkeit vollkommen unklar. Das Außenministerium hat im Vergleich mit anderen Ländern relativ wenig Macht, dafür treten andere außenpolitische Akteure auf, wie beispielsweise das Militär. So wird jedes Politikfeld zu einer internen Machtprobe. Als regulierende Kraft hat bisher meistens das Politbüro gewirkt, doch auch dort gibt es Vertreter  verschiedener Parteiflügel, die ebenfalls gegeneinander arbeiten.

Es stellt sich also die Frage, welche Veränderungen Xi Jinping und Li Keqiang durchführen werden. Die Notwendigkeit solcher ist unbestritten, insbesondere da auch das Wirtschaftswachstum des Landes in letzter Zeit schwächelte und es immer häufiger zu Protesten gegen die Regierenden kommt. Wo aber können sie mit Reformen ansetzen? Die Weltwirtschaft wird sich in absehbarer Zeit nicht verbessern. Das bisherige Konzept, wirtschaftlicher Aufschwung gegen die Abgabe von eigenen Rechten und Freiheiten, kann auf Dauer nicht mehr funktionieren. Xi und Li werden also einen neuen Weg gehen müssen, die Richtung ist bis jetzt jedoch noch ganz offen.

Wie groß auch die innenpolitischen Problemen sein mögen, die Macht der beiden sollte nicht unterschätzt werden. Das Forbes Magazin führte 2011 Hu Jintao und Wen Jiabao auf Platz 3 und 14 der mächtigsten Männer der Welt. Diese Macht wird am 8. November auf dem Parteitag an die neue Generation übergeben werden. 


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